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#02 - Von Optimismus und Hoffnung

Stell dir vor …

… du bist 30 Jahre jung. Es ist etwa ein Jahr her, da hast du dein zweites Kind zur Welt gebracht. Der Alltag hat dich voll im Griff. Jeder möchte ein Stück Deiner Aufmerksamkeit haben, hat Wünsche und Bedürfnisse, die Du erfüllen sollst. Manchmal gerätst Du ganz schön ins Rudern. Um so mehr genießt du die Momente, in denen der Kleinste noch ganz nah bei dir ist. Die Zeiten, wenn er an Deiner Brust trinkt, sind wie eine Auszeit – eine Oase. Hier dreht sich die Welt etwas langsamer. Doch plötzlich fühlst du etwas in dieser Brust, was da vorher noch nicht da war. Es ist hart, und gehört dort sicher nicht hin. Und von einer auf die andere Sekunde verändert sich dein Leben schlagartig.

NAME: Andrea
DIAGNOSE: Brustkrebs
ALTER Bei Erkrankung: 30 Jahre 

Andrea: Als ich beim Stillen den Knoten ertastet habe, hatte ich sofort ein ungutes Gefühl und bin dann ziemlich schnell zu meiner Frauenärztin gefahren. Sie hat mich dann gleich weiter geschickt mit den Worten, man solle es genauer untersuchen lassen. Es wurden Gewebeprobe entnommen. Als ich am Telefon nach den Ergebnissen fragte, wollte erst Keiner so recht mit einer Antwort herausrücken. Erst als ich beim zweiten Telefonat dann endlich meine Ärztin am Apparat hatte, erfuhr ich, dass der Tumor hochgradig bösartig war. Es würde auf jeden Fall eine Chemo, Operation und Bestrahlung geben.
Als ich die Nachricht bekam, ging es mir natürlich erstmal schlecht. Mit sowas rechnet man ja eigentlich nicht – schon gar nicht mit 30! Ich war zum Glück bei meinen Schwiegereltern und war da gut aufgefangen. Das familiäre Netz hat mir sehr viel Halt gegeben. Aber natürlich hatte ich Angst, was kommt, und ob es gut ausgeht.

Fotografin: Du hast 2 kleine Kinder. Wie seid ihr als Familie mit der Erkrankung umgegangen?

Andrea: Mit meiner Tochter habe ich ganz offen drüber geredet. Ich hab ihr erklärt, dass die Mama krank ist, viel Ruhe braucht ,manchmal im Krankenhaus sein wird. Dass aber die Ärzte alles tun werden, damit ich wieder gesund werde. Wir haben gemeinsam gebetet. Sie durfte auch beim Haare schneiden dabei sein. Wir haben sie komplett mit einbezogen. Der Kleine mit einem Jahr hat das noch nicht so mitgekriegt. Er hat viel Zeit mit den Familienhelferinnen oder mit Oma und Opa verbracht, das hat sehr gut geklappt.

Fotografin: Wie lange warst Du in Behandlung?

Andrea: Die Behandlung ging ungefähr ein Jahr. Mir wurde der Port gelegt (ein Zugang, durch den die Medikamente verabreicht werden) und gleichzeitig in der OP die Wächterlympfknoten entfernt um zu schauen, ob die befallen sind. Das waren sie zum Glück nicht, bzw. es waren nur Mikrometastasen vorhanden – das zählt wie „nicht befallen“. Dann kam ein halbes Jahr Chemotherapie, dann kam die brusterhaltende OP und dann eine Folgebestrahlung mit 32 Bestrahlungen.

Fotografin: Wie schnell hast Du gewusst: Es tut sich was positiv?

Andrea: Nach den ersten 2 Chemozyklen wurde ein Ultraschall gemacht, bei dem deutlich zu sehen war, dass der Tumor kleiner wurde. Die Chemo hat also angeschlagen. Und nach der letzten Chemo war der Tumor dann gar nicht mehr zu sehen. Trotzdem wurde anschließend noch eine OP durchgeführt. In dem Gewebe, das entfernt wurde, waren noch Resttumor-Zellen zu finden. Und weil man nicht genau wusste, wo sich noch einzelne Tumorzellen befanden, folgte dann noch die Bestrahlung.

Fotografin: So ein Körper muss mit Chemo und Bestrahlung und OPs ja unheimlich viel verkraften. Wie ging´s Dir emotional in der Zeit? Gab´s auch gute, glückliche Momente in der Zeit?

Andrea: Natürlich gab es emotionale Tiefs, in denen mich die Verzweiflung gepackt hat: Was ist, wenn der Krebs schon gestreut hat? Was ist, wenn die Chemo nicht wirkt? Auch die Angst meiner Familie hat eine Rolle gespielt. Meinem Papa ist das sehr nahe gegangen, weil meine Mutter auch an Krebs gestorben ist. Da waren Fragen da: Warum muss mich das jetzt treffen? Und warum mit 30?
Ich bin Christ, ich habe viel gebetet und Gott gebeten, dass ich meine Kinder noch aufwachsen sehen kann. Aber es gab auch Momente, in denen ich mit Gott gehadert habe.
Das Schöne war: Es waren unglaublich viele Menschen für mich da! Leute, die mit mir geredet haben, oder mich im Gebet getragen haben – das hab ich schon auch gespürt. Und die Prognose war ja grundsätzlich auch sehr gut. Die Ärzte haben von 90% Heilungschance geredet. Das hat natürlich auch Hoffnung gemacht, da klammert man sich dran fest.
Und ja, es gab auch wirklich gute Momente in der Zeit: Der erste Moment war gleich am Anfang. Als klar wurde, dass ich eine Chemo bekommen würde, habe ich mir die Haare abschneiden lassen. Ich hatte vorher immer lange Haare. Die Leute haben sehr positiv reagiert, ich hab sehr viele Komplimente bekommen. Das hat unglaublich gut getan. Und ich wusste: So sind die Haare bald nach der Chemo wieder – das hat sich gut angefühlt und war etwas, worauf ich mich freuen konnte.

Fotografin: Giltst Du jetzt als geheilt?

Andrea: Noch gelte ich als krebsfrei. Wenn man die ersten 5 Jahre ohne Rezidiv (also ohne einen Rückfall) übersteht, gilt man praktisch als geheilt.

Fotografin: Geht´s Dir gut jetzt?

Andrea: Ja, es geht mir gut. Ich genieße jeden Tag mit meiner Familie. Freu mich, dass ich es geschafft habe und es mir körperlich so gut geht. Ich merke schon, dass ich nicht die Kraft habe, wie ich sie vorher hatte. Ich freu mich auch, dass ich meine Kinder habe, und zu Beginn der Krankheit schon hatte. Die haben mir Kraft gegeben, durchzuhalten.

Fotografin: Hat sich Euer Leben nach der Krankheit verändert?

Andrea: Ja. Ich lebe bewusster. Ich konzentriere mich mehr auf die positiven Dinge. Es gibt so viele Dinge, die mich früher aufregten und mir die Freude raubten. Ich sehe das Leben mit anderen Augen und genieße die Zeit hier auf der Erde, weil ich dem Tod von der Schippe gesprungen bin.

Fotografin: Was willst Du Menschen mit auf den Weg geben?

Andrea: Immer nach vorne blicken und das Ziel vor Augen haben! Ich glaube, dass viel auch im Kopf passiert. Ich habe Menschen erlebt, die sich so gegen die Therapie gesträubt haben und die viel mehr Probleme mit Nebenwirkungen usw. hatten. Es gibt einfach Dinge, durch die wir durch müssen in unserem Leben. Heute kann man ja zum Glück so viel machen. Man sollte seinen Weg einfach geduldig und optimistisch gehen. Meistens wird es nach einem Tal ja wieder besser. Setz die Perspektive auf das Gute, und nicht auf das Schlechte!

Was mir persönlich natürlich auch geholfen hat ist mein Glaube. Ich bin ja Christ und ich hatte immer die Perspektive „Ewigkeit“ mit im Blick. Also selbst wenn ich nicht geheilt worden wäre, hatte ich ja immer noch die Hoffnung, dass mein Leben hier nicht alles ist, sondern dann bei Gott weiter geht. Im Grunde kann man sagen: Egal, wie´s wird, und wie´s ausgeht: Es wird einfach gut. Ob es hier auf der Erde ist, oder dann im Himmel.