Es war die 23. Schwangerschaftswoche. Meike war zur Routine-Kontrolle bei ihrer Frauenärztin. Doch diesmal ließ sie sie nicht mit den Worten „Alles in Ordnung“ wieder nach Hause gehen. Das Herz ihrer kleinen Tochter war auffällig. Sie wurde weitergeschickt zu anderen Ärzten. Einige Tage und ein paar Fehldiagnosen später stand fest: Das Herz ihrer ungeborenen Tochter war schwer krank. Es wurde sehr schlecht durchblutet, der Herzschlag lag bei nur 70 Schlägen pro Minute. Für die Eltern war das ein Schock. Ab diesem Zeitpunkt musste Meike im Krankenhaus bleiben.
NAME: Lynn
OP-ALTER: fast 3 Jahre bei Transplantation
DIAGNOSE: Schwerer Herzfehler, Herzversagen, Herztransplantation, Zwerchfellhernie, Schlaganfall
Meike: Die ersten 2 Wochen habe ich viel geweint. Aber dann hat sich meine Einstellung verändert und ich habe versucht, das Beste draus zu machen und mein Möglichstes zu tun, dass sie sich gut entwickeln kann. 3 Monate lang musste ich im Krankenhaus bleiben. Jeden Tag wurde ein Ultraschall gemacht. Nur so konnte überprüft werden, ob Lynn´s Herzfunktion noch ausreichte, oder ob sie per Kaiserschnitt geholt werden musste. So hangelten wir uns von Tag zu Tag, von Woche zu Woche. Jeder Meilenstein gab Anlass zur Hoffnung, dass sie es doch schaffen würde. Da waren die Organe fertig entwickelt, da die Lunge. In der 35. Schwangerschaftswoche waren dann die Gefäße so weit geweitet, dass sie per Kaiserschnitt geholt werden konnte. Ihr Herzfehler hatte sich bis dahin zum AV-Block dritten Grades entwickelt. Das heißt, ihr Herz hat nur noch im Notfallmodus funktioniert. Der Kreissaal war voll von Ärzten. Alle warteten gespannt, wie sich die Lage entwickeln würde. Selbst die Ärzte wussten nicht, was passieren würde. Die Hoffnung war, dass sie noch 2-3 Tage ohne Operation schaffen und sich so akklimatisieren könnte. Doch das war leider nicht der Fall. Nach der Geburt lag Ihr Herzschlag nur noch bei 30-45 Schlägen pro Minute. Vom Bauch ging es für Lynn daher direkt auf den OP-Tisch. Sie erhielt einen Herzschrittmacher. Es hieß „mit dem kann sie alt werden“.
Kurz vor Lynn´s drittem Geburtstag ging dann alles Schlag auf Schlag. Es ging ihr schon einige Tage nicht gut. Sie konnte keinen Harn lassen, war sehr müde, hat viel geschwitzt. Verschiedene Arztbesuche brachten keine Hilfe. Irgendwann waren die Reflexe in Armen und Beinen nicht mehr vorhanden. Ihr Blutkreislauf hat sich zentralisiert. Im Krankenhaus schaute eine Ärztin dann nach ihrem Herzen. Und tatsächlich hatte sich Lynn´s Herzfunktion rapide verschlechtert, ihr Herz war irreparabel kaputt. Von der einen auf die andere Minute musste sie mit dem Helikopter nach Freiburg verlegt werden.
Meike: Mein Mann und ich fuhren mit dem Auto hinterher. Wir hatten nichts dabei als die Sachen, die wir anhatten. Vor Ort wurde sie notoperiert. Ein neuer Herzschrittmacher sollte die Lösung bringen. Die OP verlief gut, alles schien stabil. Doch am Abend hörte ihr Herz plötzlich auf zu schlagen. Auf dem Herzmonitor war dies aufgrund des Schrittmachers nicht zu sehen. Doch die Messung in der Arterie zeigte keinen Puls mehr an. Als die Krankenschwester Lynn anschaute, sah sie, dass sie verstorben war. Menschen verändern sich optisch im Moment ihres Todes. Die Ärzte konnten sehr schnell reagieren. Das war Lynn´s Glück. Nach einer Stunde Reanimation fand Lynn zurück ins Leben. Nach einem Tag Herz-Lungen-Maschine wurde sie an das „Berlin Heart“, ein Kunstherz, angeschlossen. Nun konnte sie nur noch ein Spenderherz retten.
2 Wochen lang lebte sie mit diesem Kunstherz. Zwischenzeitlich wurde sie auf die Hochdringlichkeitsliste aufgenommen. Am Morgen des 30. Mai musste sie wegen eines Hämatoms im Bauchraum operiert werden. Am Abend kam dann plötzlich und unerwartet die erlösende Nachricht: Es ist ein Herz für Lynn da. Schon stand die nächste, große OP an: Lynn bekam ihr Spenderherz. Uns fiel ein großer Stein vom Herzen. Gleichzeitig wussten wir nicht, ob sie nach der OP am Vormittag noch genug Kraft haben würde, diesen riesigen Eingriff zu überstehen. Es war eine Achterbahn der Gefühle. Doch alles ging gut. Ihr neues Herz pumpte von nun an in ihrer Brust. Als Lynn extubiert wurde, bekam sie schwere Atemnot. Ihr Zwerchfell hatte seine Funktion eingestellt (Zwerchfellhernie). Es drückte gegen die Lunge, Lynn bekam keine Luft mehr. Wieder musste sie notoperiert werden. Bei der OP wurde ihr Zwerchfell gerafft, so dass die Lunge wieder Platz hatte. Ihre vielen Narben sind heute Zeugnis dieser zahlreichen, großen Eingriffe.
Heute ist Lynn 11 Jahre alt. Sie ist mit Feuereifer beim Shooting dabei, hat einen unglaublich starken Willen und tausende Ideen im Kopf. Sie hat sogar ihre Harfe dabei und spielt mir ein paar Stücke vor. Am Ende unseres 2. Shooting-Tages hört man sie immer wieder rufen: „Mehr Glitzer!“ Eine Bilderserie mit Goldglitzer ist ein würdiges Finale unserer gemeinsamen Zeit im Studio. Am Ende glitzert nicht nur Lynn …
Es ist erstaunlich, dass sie heute ein fast normales Leben führen kann.
Meike: Sie muss täglich viele Medikamente nehmen, damit das Herz nicht vom Körper abgestoßen wird. Ihr Immunsystem wird unterdrückt, sie ist anfälliger für jede Krankheit. Und sie kann ihre linke Seite nicht so bewegen, wie es normal sein sollte. Während der Transplantation hat sie einen Schlaganfall erlitten. Als sie nach der OP wieder aufgeweckt wurde, konnte sie ihren linken Arm nicht bewegen. Erst dachten wir, es käme von der Lagerung. Aber als es auch nach Tagen nicht besser wurde, kam der Verdacht eines Schlaganfalls auf. Ein MRT bestätigte diesen Verdacht. Lynn hat sich weitestgehend zurück gekämpft. Heute hat sie noch Schwierigkeiten beim Rennen und ihre linke Hand ist nur eingeschränkt beweglich.
Sylvia: Lynn, wie reagieren andere Menschen auf Deine Narben und Deine Einschränkungen?
Lynn: Früher habe ich in meiner alten Schule viel Ablehnung erlebt. Heute finden es manche noch gruselig. Dass ich meine linke Hand nicht richtig bewegen kann, stört mich allerdings schon. Ich kann viele Dinge nicht alleine machen, bin auf die Hilfe anderer angewiesen. So Alltagssachen, wo man von Anderen dann abgehängt wird.
Die Narben selbst stören mich nicht. Ich weiß, dass sie gut sind, denn ohne sie, würde ich nicht mehr leben.
Lynn feiert seither 3x im Jahr Geburtstag. Einmal an ihrem echten Geburtstag. Am Tag, als ihr Herz stehen blieb und die Ärzte sie zurück ins Leben holten. Und am Tag, als sie ihr neues Herz bekam.
Liebe Meike, lieber Malte: Es war so eine wertvolle Zeit mit Euch im Studio! Vielen Dank für Euer Vertrauen, Eure Geduld, als die Kamera den Geist aufgab, für alles Mithelfen, für den Lichterregen! 😉 Ich freue mich auf unsere nächste Begegnung. Liebe Lynn, dir wünsche ich für die Zukunft nur das Beste! Tolle Freunde, die in jeder Situation zu Dir halten; warmherzige Menschen, die dich so annehmen, wie Du bist; den Mut, deine eigenen Grenzen zu erweitern und ganz viel wilde Kreativität! Du bist wunderbar!