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#17 - Spuren des Lebens

Nachts um halb 1 wachte Susi mit einem Ziehen im Bauch auf und wusste: Nun geht es los. Bis halb 8 hielt sie noch aus, dann ließ sich der Drang ins Krankenhaus zu fahren nicht mehr stoppen. Kaum auf der Liege gingen die Wehen richtig los. Nach Schmerzmitteln und PDA tat sich sehr lange nichts. Der Kopf wollte einfach nicht ins Becken rutschen. Die Ärztin sprach schließlich von einem Geburtsstillstand und sie sollten sich mal Gedanken wegen eines Kaiserschnittes machen.

NAME: Susi
OP-ALTER: 31 Jahre
DIAGNOSE: Geburtsstillstand

Susi: Ich wurde im Grunde völlig überrumpelt mit dem Kaiserschnitt. Wir hatten diese Form der Geburt so gar nicht auf dem Schirm. Natürlich wurde im Geburtsvorbereitungskurs mal drüber geredet. Aber wir haben uns nie ernsthaft Gedanken drüber gemacht. In den ersten Tagen war das schon schwer für mich zu verarbeiten. Warum? Weshalb? Hätte es nicht doch einen anderen Weg gegeben? Haben wir vielleicht zu schnell aufgegeben? Da hatte ich arg dran zu knabbern. Auf der anderen Seite war ich dann froh und dankbar, dass am Ende alles gut gegangen ist, dass der kleine Mann gesund und munter zur Welt kam und dass uns beiden letztlich nichts passiert ist.

Auch wenn es in dem Moment nicht schön war, bin ich am Ende doch dankbar, dass es so gelaufen ist und wir überhaupt die Möglichkeit eines Kaiserschnittes hatten.

Sylvia: Was denkst Du, wenn Du die Narbe siehst?

Susi: Wenn ich die Narbe sehe (und im Moment natürlich auch noch spüre) erinnert sie mich einerseits an die Schmerzen. Noch viel mehr aber erinnert sie mich daran, dass etwas nicht so gelaufen ist, wie geplant. Natürlich kann man eine Geburt nicht bis ins Letzte planen. Aber man hofft ja doch, dass alles ganz normal abläuft und man sein Kind selbst auf die Welt bringen kann.
Wenn ich mein Kind dann aber anschaue, weiß ich, wofür ich gekämpft habe und dass es sich auf jeden Fall gelohnt hat.

Sylvia: Was ist Dir wichtig, was Du anderen Frauen mitgeben willst?

Susi: Es lohnt sich auf jeden Fall bis zum Schluss zu kämpfen. Und man darf auch die Schmerzen, die man hatte, nach außen tragen. Man braucht sich nicht dafür zu schämen. Auch mit den Schwangerschaftsstreifen ist das so: Während der Schwangerschaft fand ich die vielen Streifen schon schlimm. Aber jetzt im Nachhinein, denke ich: Es ist nichts, wofür ich mich schämen muss. In meinem Körper ist Leben entstanden. Das Größte, was ein Mensch hervorbringen kann. Mein Körper zeigt mir, wie sehr er gekämpft hat.

Sylvia: Ich befrage Susi´s Mann Simon. Wie geht es Dir mit Susi´s Schwangerschaftsstreifen und der Narbe? Ihr Körper hat sich in kurzer Zeit sehr verändert. Macht es Dir etwas aus?

Simon: Ein ganz klares NEIN!
Ich finde es erstaunlich, was ein Frauenkörper so grundsätzlich leisten kann – welche Energie er aufbringt. Und auch, was Susi an diesem Tag geleistet hat. Die Narben und auch die Streifen, die geblieben sind: Es ist wie ein Stück Geschichte, die zeigt, welche Kraft hinter so einer Schwangerschaft und Geburt steckt.

Die Schnittnarbe selbst verbinde ich mit Dankbarkeit. Gäbe es die Medizin nicht, so wie wir sie heute zur Verfügung haben, wäre die Geschichte vielleicht ganz anders ausgegangen und einer oder beide hätten nicht überlebt. Daher steht diese Narbe für mich ganz klar als Zeichen für das Leben.