„Ich habe immer gewusst, dass ich mal Brustkrebs bekomme“, so startet Jana ihre Erzählung bei unserem Interview in Hamburg.
NAME: Jana
OP-ALTER: 48 Jahre
DIAGNOSE: erblich bedingter Brustkrebs (BRCA2), beidseitige Mastektomie, Adnexektomie (Entfernung der Eierstöcke)
Jana erzählt: „Meine Mutter ist im Alter von 32 Jahren an Brustkrebs erkrankt und schließlich mit 44 Jahren daran gestorben. Es war ein Auf und Ab über all die Jahre mit Chemos, Heilung, Rezidiv, Mastektomie, Entzündungen und das Nichtannehmen des Implantates. Meine Mama so leiden zu sehen, war eine sehr schwere und belastende Zeit in meiner Jugend.
2007 hörte ich das erste Mal von einer Risikosprechstunde für familiären Brustkrebs. Im Brustkrebszentrum des Universitätsklinikums Kiel konnte man sich testen lassen, ob es sich in der Familie um einen erblich bedingten Brustkrebs handelt. Ich wollte Gewissheit haben. Eine Woche nach der Blutentnahme bekam ich mein positives Ergebnis. Ich hatte das BRCA2-Gen. Meine Schwester wurde zum Glück negativ getestet. Die Wahrscheinlichkeit an Brustkrebs zu erkranken, liegt bei ungefähr 80%. Nun war nicht mehr die Frage OB ich Brustkrebs bekomme, sondern WANN.
Das zu wissen war gut, denn ab diesem Zeitpunkt wurde ich 2x jährlich untersucht. Zweimal Sono, einmal im Jahr MRT. Ich wusste nun: Mehr kann ich nicht tun. Ich bin vorbereitet und ich passe so gut auf mich auf, wie es geht. Das hat mich erleichtert und ich habe mir nicht zu viele Sorgen gemacht.
Natürlich war der Gang nach Kiel zu den halbjährlichen Untersuchungen trotzdem kein einfacher. Die Geschichte mit meiner Mama hat mich immer begleitet. Wenn du deine Mutter so früh und mit so viel Leiden verlierst, begleitet dich das dein Leben lang.
10 Jahre ging alles gut. im September 2017 hat mich meine Ärztin nach der Untersuchung dann nicht nach Hause geschickt, sondern zur Biopsie. Sie hatten etwas gefunden.
Zuerst hieß es: Es ist nix Schlimmes. Mit diesem Status (wir wissen, da ist etwas, aber wir sind noch nicht sicher was) bin ich erstmal mit meiner Familie verreist. Die Reise war schon gebucht und ich hatte mich lange darauf gefreut. Verdrängt wurden Ängste. Erst zwei Monate später lag ich im Krankenhaus zur Gewebeentnahme. Kurz vor Weihnachten dann die Gewissheit: Es war Krebs. In diesem Moment bin ich förmlich zusammengebrochen. Ich habe eine Ewigkeit geweint. Es ist eine Sache zu wissen: Du wirst ziemlich sicher an Brustkrebs erkranken, aber eine andere, wenn die Diagnose dann wirklich gestellt ist.
Die Empfehlung des Arztes war, brusterhaltend zu operieren und dann mit einer Bestrahlung fortzufahren. Aber das wollte ich nicht. Ich wusste für mich immer: Wenn die Ärzte einmal an mir rumschneiden, geht es abwärts. Ich hatte das bei meiner Mama gesehen und dieses Leiden, das wollte ich nicht. Ich habe mich für eine beidseitige Mastektomie entschieden und gleichzeitig wurden die Eierstöcke entfernt. Das verringert das Risiko eines Rezidivs immens.
Am 19. Januar 2018 war es dann so weit. Die OP dauerte etwa eine Stunde und verlief problemlos. Als ich erwachte, spürte ich den Katheter. Dort, wo einmal meine Brüste waren, hatte ich keine Schmerzen, Kein Ziehen, kein Stechen – nichts. Nach 3 Tagen wurden die Drainagen entfernt. Nach 4 Tagen durfte ich bereits nach Hause. 2 Wochen lang bin ich im Bademantel zu Hause rumgelaufen. Meine Haut war sehr sensibel und brauchte dieses Weiche, Warme. Die Wundheilung verlief absolut problemlos. Danach ging es für mich zur Reha. Ich habe in der Zeit viel für mich getan. Bewusst schöne Dinge unternommen, viel Sport gemacht – das Schwimmen für mich entdeckt. Nach der Anschlussheilbehandlung konnte ich zur Ruhe kommen und mich vollends erholen. Es war ein Prozess, mich mit meinem neuen Aussehen zu identifizieren und das nötige Selbstvertrauen in mich wieder zu finden.
Einen Brustaufbau wollte ich nicht. Ich möchte keinem Schönheitsideal nacheifern, nur, weil es die Gesellschaft so vorgibt. Ich fühle mich gesund und frei ohne die Brüste. Und ich kann heute erzählen, aufklären, Frauen an die Hand nehmen und einen Weg mit ihnen gehen – weil ich selbst da durchgegangen bin. Ich gehe sehr offen mit meiner Erkrankung und meiner Entscheidung um. Das hat mir bei der Verarbeitung sehr geholfen. Es hat mir manche Tür geöffnet. Ich habe tolle Menschen kennengelernt und wir sind gemeinsam gewachsen an unserem Schicksal. Am Ende kann eine noch so schlimme Zeit auch zur Chance werden – eine Chance zu wachsen, sich zu verändern, weiter zu entwickeln und Betroffene auf ihrem Weg zu unterstützen. Mir ist es ein großes Bedürfnis, aufzuklären. Denn nur durch die richtige Vorsorge und rechtzeitige Früherkennung muss Krebs heute kein Todesurteil mehr sein, sondern ist heilbar. Mit dem Wissen um meine Genmutation bin ich dem Krebs einen Schritt voraus. Dieses Wissen teile ich mit meinen beiden Töchtern. Für sie bin ich Mama bis ins tiefste Innere meines Herzens und meiner Seele. Ihre Oma konnten sie leider nie kennenlernen. Meine Mama wäre unglaublich stolz auf das, was ich erreicht habe. Sie hat es mir vorgelebt mit viel Tapferkeit, Mut und einem unbändigen Willen zu leben. Ich bin sehr dankbar dafür und werde am Leben, das ich so sehr liebe, festhalten – für meine Kinder. Nie sollen sie so um mich weinen müssen, wie ich um meine Mama.“