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#24 - Unentdeckt

Meike ist die Mama von Lynn, dem herztransplantierten Mädchen aus unserem letzten Beitrag.
Ihre Erkrankung und die ihrer Tochter hängen untrennbar miteinander zusammen.

Meike hat das Primäre Sjögren-Syndrom. Bereits seit ihrer Pubertät merkt sie die Auswirkungen dieser Erkrankung, bekommt aber nie eine Diagnose: Sie leidet stark unter Trockenheit in allen Drüsen und Schleimhäuten. Ihre Augen trocknen ständig aus, sie hat verminderten Speichelfluss, muss ständig trinken, um den Hals zu befeuchten und die Zähne werden viel schneller angegriffen als bei gesunden Menschen. Außerdem macht ihr eine bleierne Müdigkeit zu schaffen.

NAME: Meike
ALTER BEI DIAGNOSESTELLUNG: 29 Jahre
DIAGNOSE: Primäres Sjögren-Syndrom

Das Sjögren-Syndrom ist eine Autoimmunerkrankung, die zu den Rheumaerkrankungen gehört und schubweise schlimmer wird. Die Funktion von Drüsen und Schleimhäuten ist eingeschränkt und das Gewebe wird sogar zu Lymphgewebe umgewandelt, was zu einem stark erhöhten Lymphkrebsrisiko führt.

Meike: Ganz oft dauert es 10 Jahre oder länger, bis die Krankheit diagnostiziert wird. Ich hatte schon lange damit zu kämpfen. Aber Ärzte sehen in der Regel nur ihren eigenen Bereich. Der Augenarzt sagt: Ach, sie haben halt trockene Augen. Nehmen Sie Augentropfen. Der Nächste versucht, was gegen die Müdigkeit zu tun, die mich tagtäglich befällt. Meine Erkrankung blieb all die Jahre unentdeckt. Erst als das Herz meiner Tochter im Mutterleib bereits schwer geschädigt war, wurde eine Diagnose gestellt.

Meike: Der AV-Block – der Knoten in Lynns Herz, der die Reize weiterleitet – war entzündet und hat nur noch teilweise Reize weitergeleitet. Erst kam nur noch jeder 2. Herzschlag durch, dann nur noch jeder 3. Durch Lynn´s Erkrankung ist man auf meine Erkrankung gekommen. Denn die Antikörper der Autoimmunerkrankung können solch eine Entzündung des AV-Blocks hervorrufen. Es wurden viele Tests gemacht, bis meine Diagnose als gesichert galt. Lynn ist unsere erste Tochter. Bei den beiden anderen Kindern habe ich dann Medikamente bekommen, damit sie sich gesund in meinem Bauch entwickeln konnten.

Sylvia: Lynn´s Herzfehler hätte mit einer früheren Diagnosestellung verhindert werden können?

Meike: Ja, das hätte es. Ich habe mir natürlich meine Gedanken dazu gemacht. Aber letztlich ist es nicht mehr zu ändern. Schuldzuweisungen bringen nichts. Wir leben damit und haben unseren besonderen Alltag angenommen. 

Sylvia: Mit einem herztransplantierten Kind hat man natürlich viele Arztbesuche, Kontrollen, Medikamente … Schränkt euch Deine Erkrankung im Alltag auch ein?

Meike: Mich schon. Ich spüre ständig meine Augen mit einem sehr unangenehmen Gefühl. Stell es dir so vor, als wenn du in einer Disco direkt vor einer Nebelmaschine stehst, durch die Trockenheit brennen und schmerzen die Augen. Und du weißt, das wird niemals besser werden. So geht es mir tagtäglich. Und gerade diese Müdigkeit bringt mich oft an meine Grenzen. Die bleierne Müdigkeit ist echt heftig und nicht mit normaler Müdigkeit zu vergleichen. Die Krankheit wird sehr unterschätzt. Man sagt: Es gibt doch Augentropfen, dann muss es doch gut sein. Aber tatsächlich lindert das nur etwas für kurze Zeit, macht es aber nie normal. Und was heute hilft, kann morgen schon wieder nutzlos sein. Man ist immer wieder neu auf der Suche nach Linderung. 

Sylvia: Was hat nun die Narbe unter Deinem Ohr mit Deiner Erkrankung zu tun?

Meike: Die Narbe am Hals war ein gutartiger Tumor an der Ohrspeicheldrüse. Dort hat sich durch das Sjögren-Syndrom auch das Gewebe verändert. Ein Lymphknoten ist gewachsen, direkt am Gesichtsnerv dran. Noch war er gutartig. Hätte man ihn gelassen, wäre er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit irgendwann bösartig geworden. Durch die Nähe zum Gesichtsnerv habe ich im Moment noch eine leichte Schieflage im Gesicht. Man sieht es vor allem, wenn ich lache. Das soll mit der Zeit aber wieder besser werden.

Sylvia: Ihr habt ja nun ein ganzes Paket zu tragen. Mit Lynn, aber auch du selbst. Was hilft Dir und gibt Dir Kraft?

Meike: Ich habe viel Unterstützung durch meinen Mann, gerade abends und früh morgens, wenn es für mich besonders schwer ist. Ich mache Pausen im Alltag. Manchmal nur 5 Minuten. Bevor die Kids mittags da sind, versuche ich, kurz Ruhe zu finden und die Augen ein bisschen zu schließen.
Meine Kinder geben mir natürlich auch Kraft. Mein Sport. Mein Garten. Da bin ich abgelenkt. Ich liebe es, draußen zu sein und der Natur beim Wachsen zuzuschauen.