Frank verlor Silvester 2009 wegen eines Feuerwerkskörpers eins seiner Augen. Seitdem trägt er in der linken Augenhöhle eine Prothese, die jährlich ausgewechselt werden muss. Hier (https://bechle-fotos.de/11-nur-ein-augenblick/ ) habe ich über ihn berichtet.
In diesem Jahr hatte ich das Vergnügen, ihn bei der Herstellung seiner neuen Prothese zu begleiten.
NAME: Andreas Hellbach
BERUF: Hersteller von Augenprothesen
ZU FINDEN: augenkünstler.de
Andreas Hellbach ist der „Augenkünstler“. Bereits seit über 100 Jahren gibt es diesen Betrieb. Es ist ein Familienbetrieb, der bereits in der vierten Generation geführt wird. Ursprünglich wurde der Betrieb in Lauscha gegründet – DER Thüringer Glasbläserstadt. Als Teenager war ich einmal dort. Die ganze Stadt ist voll mit Glasbläserlädchen. Mich hat das damals schon fasziniert. Mit ihrem Betrieb und dem ganz eigenen Konzept sind die Augenkünstler aber noch einen Schritt weiter gegangen. Sie haben die filigrane Handwerkskunst mit menschlicher Not zusammengebracht und so etwas ganz Wundervolles geschaffen: Eine Chance, Menschen aus einer Krise zu helfen.
Wir treffen Andreas Hellbach in Heilbronn. Es ist einer der 30 Standorte in ganz Deutschland, den die Augenkünstler (sein Bruder und sein Vater führen mit ihm den Betrieb) regelmäßig besuchen, um vor Ort Protesen nach Maß anzufertigen. Den Hauptsitz hat die Firma seit 1951 in Würzburg.
Nach erster Unsicherheit ist das Eis dann schnell gebrochen. Ich stelle viele Fragen, Andreas Hellbach gibt mir bereitwillig Auskunft. Er hat eine ganze Auswahl an „Rohlingen“ dabei. Die Iris ist bereits eingearbeitet. Als erstes sucht der Künstler die passende Farbe aus – vergleicht sie mit dem verletzten und dem gesunden Auge für ein möglichst optimales Fitting. Dann wird erhitzt, geblasen, wieder erhitzt, abgelöst … Adern werden dem Auge hinzugefügt. Und vor allem wird die Form möglichst optimal der Augenhöhle und den noch vorhandenen Restmuskeln angepasst. Das scheint mir die größte Herausforderung zu sein, denn jedes Auge und jede Geschichte hat ihre eigene Form. Der Glasbläser erzählt mit einem Lächeln: „Wenn in einem Film ein Auge rollt, dann weiß man eigentlich sofort, dass es nur Fake ist. In nahezu keinem Fall bleibt das Glasauge ganz rund. Es sind immer noch Muskeln und Reste des Augapfels in der Augenhöhle vorhanden. Und passend dazu muss dann das Auge mit einem Spezialbrenner geformt werden.“
Frank´s Prothese muss jährlich erneuert werden, denn durch die Tränenflüssigkeit und Umwelteinflüsse altert die Prothese. Dabei wird die Oberfläche stumpf und das Tragen kann unangenehm werden. So ist ein jährlicher Besuch beim Augenkünstler fester Bestandteil seines Terminkalenders. In Heilbronn treffen wir einen Mann, der nach uns seinen Termin bekommen hat. Es ist seine dritte Prothese, dabei ist seine Verletzung schon gute 30 Jahre alt. „Nicht Jeder hat sofort nach seiner Verletzung oder Erkrankung den Mut, sich eine Prothese anfertigen zu lassen“, erzählt der Künstler. „Und auch der Umgang mit der Prothese ist total unterschiedlich. Die Einen gehen ganz locker mit dem Einsetzen und Herausnehmen um – machen es täglich, als wär es ein Kinderspiel. Andere dagegen lassen ihr Glasauge Tag und Nacht eingesetzt und zur Erneuerung ein Jahr später wird es dann aus der Augenhöhle raus genommen.“
Nach einer guten Stunde verlassen wir das Gebäude. Die Bilder sind im Kasten, das neue Auge sitzt. Mein Horizont hat sich wieder ein bisschen erweitert und ich bin dankbar für diese wertvolle Begegnung. Ich finde es enorm, was für Möglichkeiten es gibt und wie sich Menschen mit ihren Gaben für andere einsetzen. Denn ja, ich glaube, dass so ein kleines Glasauge den Betroffenen ganz viel Selbstwert zurückbringen kann.
Vielleicht denkt Ihr beim nächsten Mal daran: Unterwegs, in der Stadt, beim Einkaufen. Falls Euch mal wieder Jemand anrempelt und sich entschuldigt, er hätte Euch nicht gesehen: Vielleicht war hier der Augenkünstler am Werk und das, was Ihr als gesundes, sehendes Auge identifiziert, ist vielleicht die Handschrift eines Meisters.